Musikthema

Weltmusik aus der Pfalz – Elsa & der Viertelton

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AUTOR/IN
Kerstin Bachtler

Zwei Musiker aus der Pfalz treffen einen Musiker, der aus Syrien geflohen ist und sie beginnen – natürlich – zusammen zu musizieren. Das klappt so gut, dass sie auch bald eine eigene Band gründen: Elsa & der Viertelton. Musikalisch verbinden die Musiker ihre Kulturen und erschaffen spannende Lieder, in die beide Traditionen einfließen. Zu hören sind sie auf der neuen CD der Band mit dem Titel „heimaten“.

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Harmonie der unterschiedlicher Kulturen

Die Band „Elsa & der Viertelton verbindet Charlie Chaplins „Nonsense Song“ auf ihrer CD mit ägyptischer Filmmusik. Die beiden Melodien, die aus ganz unterschiedlichen Kulturen stammen, passen überraschend gut zusammen und gehen harmonisch und nahtlos ineinander über. 

Noch erstaunlicher klingt dieser Effekt bei dem alten deutschen Volkslied „Kein schöner Land“. Peter Braun aus Ludwigshafen spielt Gitarre, Paul Reinig aus Landau die Drehleier und der syrische Musiker Samer Alhalabi zupft das Saiteninstrument Oud, eine Art Laute mit sechs Doppelsaiten. Er singt dazu allerdings ganz anders, als man es vom deutschen Volkslied kennt.

Kein schöner Land in dieser Zeit gepaart mit Zorouny Kol Sana Marra mit Elsa & der Viertelton auf YouTube

Homogenes Gemisch in der Musik

Samer Alhalabi hat in Syrien Oud studiert und in Damaskus als Musikprofessor an der Universität gelehrt. Vor vier Jahren floh er vor dem Krieg in seiner Heimat und landete nach einer langen, gefahrvollen Reise in Deutschland in der Südpfalz. Hier traf er Peter Braun und Paul Reinig.

Auch wenn sie sich am Anfang kaum verständigen konnten, schafften sie es, in der Musik eine gemeinsame Sprache zu finden, erzählen Samer Ahlalabi und Peter Braun.

„Über die Harmonien sind wir zusammengewachsen. Und wenn man das überspringen lässt, dann entsteht für beide Stücke ein homogenes ,Gemisch‘, das sich gut versteht.“

Inhaltliche Gemeinsamkeiten in Volksliedern

Die Band hat erstaunt festgestellt, dass die unterschiedlichen musikalischen Traditionen nicht nur musikalisch zusammenwachsen, sondern auch inhaltlich.

Peter Braun nennt als Beispiel das türkische Lied Ghizali und das deutsche Volkslied „Es saß ein klein wild Vögelein“, in beiden Stücken gehe es um erkaufte Liebe.

Dur, Moll und der Viertelton

Damit die musikalischen Traditionen überhaupt miteinander harmonieren können, gilt es, die Unterschiede zu beachten und kreativ damit umzugehen. In der arabischen Musik gibt es zum Beispiel nicht nur die Tonarten Dur und Moll, sondern viel mehr, unter anderem den sogenannten Viertelton.

Auch für den Pfälzer Musiker Paul Reinig ist diese Art des Zusammenspielens eine Herausforderung. Obwohl er mehr als 20 Instrumente beherrscht und seit Jahrzehnten Musik macht, kann er von Samer Alhalabi Neues lernen. 

Das Ganze zusammenzubringen, zum Beispiel mit dem Viertelton, die kann man nur mit einem bundlosen Instrument spielen und da auch Tricks kennenzulernen, dass man zum Beispiel so einen Bordun-Ton wie in der Mittelaltermusik setzt und Samer dann praktisch die Vierteltöne spielen kann, das ist schon ein Lernfeld für mich.“ – Paul Reinig

Musiker brauchen Freiheit“

Samer Alhalabi ist froh, dass er in Deutschland Gleichgesinnte gefunden hat, mit denen er musizieren kann, denn die Musik ist in seinem Leben ganz wichtig. Sie war einer der Gründe, warum er aus Syrien geflohen ist.

Musiker brauchen Freiheit. Es war mich sehr gefährlich, weil ich habe viele Lieder gegen die Regierung gesungen.“

Entdeckungsreise im Album „Heimaten“

Paul Reinig engagiert sich seit vielen Jahren nicht nur in zahlreichen Bandprojekten, für die vielfach ausgezeichnet wurde, sondern auch in der Friedensbewegung. Für ihn sind „Elsa & der Viertelton und ihr Debütalbum Heimaten ein Beispiel für gelebte Völkerverständigung.

Auf der CD „Heimaten“ befruchten sich fremde und vertraute Klänge gegenseitig und laden ein zu einer spannenden Entdeckungsreise auf höchstem musikalischem Niveau. Für Peter Braun ist diese Musik viel mehr als nur ein musikalisches Projekt.

Ich finde, dass Musik das Gefühl von Heimat auch gut transportiert, indem Samer diese Brücken mit uns zusammen baut. Ich finde, da wird Magie draus, vor allem, wenn wir vor Publikum spielen, entsteht oft ein magischer Moment, es passiert, dass es die Leute verzaubert und uns auch.“ – Peter Braun

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